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Von Myriam Borchhard
Die Umwelt in der wir leben, die Menschen mit denen wir in Kontakt stehen und unsere Lebensumstände haben Einfluss auf unsere Gefühle und Stimmungen. Unsere Gefühle und Stimmungen wiederum haben Einfluss auf unserer körperliches Befinden, unsere Gesundheit und unsere Wahrnehmung. Die räumliche Umgebung mit ihren Farben, der Beleuchtung und der Ausstattung fördert entweder Ruhe und Entspannung oder Aktivität und Konzentration. Reize wie Wärme/ Kälte, Licht/ Dunkelheit, Geräusche/ Ruhe, rationale Sprache/symbolische Sprache, gezielte Bewegung/ intuitive Bewegung haben anregende oder hemmende Wirkung auf den Neocortex und das Primärhirn. Unsere Umgebung kann somit förderlich für geistige Arbeit sein oder den Rückzug nach innen hin zu unserer Intuition fördern.
Die Menschen die uns umgeben können durch ihr Verhalten die Wahrnehmung von uns selbst positiv beeinflussen indem sie unsere Bedürfnisse respektieren und uns Achtung entgegenbringen. Auf der anderen Seite können sie unserer Selbstbild negativ beeinträchtigen wenn sie unsere Wünsche nicht wahrnehmen und uns ein eigenständiges Handeln nicht zutrauen.
Als soziale Wesen suchen wir den Kontakt zu Anderen und gehen gern konform mit allgemeinen Verhaltensweisen. In der Zeit von Schwangerschaft, Geburt und Exogestation kommen viele Veränderungen auf die Frau zu, für die sie noch keine eigenen Handlungsweisen zur Verfügung hat.
Die Frau sucht im Austausch mit anderen nach möglichen Lösungsmöglichkeiten und versucht diese mit den eigenen Bedürfnissen abzugleichen. Findet sie in dieser Zeit positive Anteilnahme, wird sie dabei unterstützt die eigenen Ressourcen zu entdecken, werden ihre Entscheidungen sich mit ihren Bedürfnissen decken und sie kann sich kompetent und sicher fühlen. Dies fördert die körperliche Wahrnehmung und das Wohlbefinden und somit den Verlauf der Schwangerschaft. Die hormonelle Ausgeglichenheit fördert das Wachstum des Kindes und sichert dessen Versorgung im weiteren Verlauf der Schwangerschaft, der Körper der Frau wird körperlich und seelisch optimal auf die Geburt und die folgende Zeit der Mutterschaft vorbereitet.
Reagiert das Umfeld dagegen ignorant, traut der Frau eine Entscheidung nicht zu und schreibt ihr vor wie zu handeln ist, so entsteht Stress der das physische und psychische Befinden und damit auch den Verlauf der Schwangerschaft negativ beeinflusst. Es entstehen Ängste und Sorgen, dies kann zu einem Gefühl der Ohnmacht und Depressionen führen sowie der Angst der Situation nicht gewachsen zu sein.
Die erhöhte Kortisol Ausschüttung bei Stress hat Einfluss auf das Immunsystem, hemmt die hormonelle Reaktion und das reaktive Verhalten. Zudem besteht der Verdacht, dass Stress in der Schwangerschaft die Gesundheit des Kindes langfristig negativ beeinflusst.
Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten der Frau das Kind auszutragen, zu gebären und zu nähren stellt sich nicht losgelöst von der Umbebung ein. Es braucht dazu Zuspruch, Anerkennung der Bedürfnisse und Respekt. Nur dann kann sich Ruhe und Gelassenheit gegenüber der neuen Situation und eine gute Selbstwahrnehmung einstellen. Dies führt zu einer erhöhten Stressresistenz, fördert die Kraft und Energie der Schwangerschaft und der Geburt zu begegnen und erlaubt den Lebensvorgängen den ihnen eigenen Rhythmus.
Die Aufgabe der Hebammenbetreuung besteht daher in der Unterstützung der Frau, die für sie richtigen Entscheidungen zu treffen. Dies erfordert eine sachliche Information über mögliche Vorgehensweisen und unterschiedlicher Alternativen. Über die Wahrnehmung der Gefühle der Frau ist es uns möglich ihre Bedürfnisse zu erspüren und sie darin zu unterstützen ihre Ressourcen zu entdecken. Dies gelingt uns durch den Einsatz von lösungsorientierten Beratungstechniken und einem intuitiven Beziehungsaufbau.
Unsere innere Haltung zu unserer Arbeit als Hebammen ist ebenfalls von besonderer Bedeutung. Der überwiegende Teil der Kommunikation die Menschen miteinander führen findet auf nonverbaler Ebene statt. Unser Gegenüber spürt was wir wirklich denken und fühlen, daher ist ein authentisches Verhalten gerade in unserem Beruf so wichtig. Unsere Haltung der Frau und der Situation gegenüber hat maßgeblichen Einfluss auf den Verlauf der Kommunikation und der Qualität der Bindung die die Frau mit uns eingeht.
In den unterschiedlichen Beratungs- und Begleitungssituationen können wir zusätzlich durch die Gestaltung der Umgebung z.B. der Geburtsräume Einfluss nehmen auf die Anregung oder Hemmung des ZNS um die Voraussetzung für die hormonelle Einstellung des Körpers der Frau zu schaffen.
Das Wissen um diese Faktoren sollte daher zum Basiswissen der Hebamme gehören. Die Umgebung für die Geburt sollte das Primärhirn anregen z.B. durch gedämpfte Beleuchtung, ruhige Musik und ein Umfeld welches die intuitive Reaktion der Frau auf den Vorgang der Geburt lenkt.
Unabhängig von der räumlichen Umgebung ist aber die Tatsache, das die Frau Vertrauen aufbauen möchte und daher eine kontinuierliche Ansprechpartnerin braucht um sich verstanden und angenommen zu fühlen. Es ist daher wichtig zu den von uns betreuten Frauen eine Beziehung aufzubauen die es der Frau ermöglicht eine intensive, positive Bindung zu ihrem Kind aufzubauen.
Dies ist die sinnvollste Form die zukünftige Gesundheit der nächsten Generation zu fördern und die Bindungsfähigkeit der Kinder zu unterstützen.
Das von mir entworfene „Salutogramm“ kann dazu dienen die komplexen Zusammenhänge der Umgebung, der Gefühle und der inneren Systeme zu verdeutlichen. Denn wie wir es auch drehen und wenden, positive Annahme der Schwangerschaft und Unterstützung derselben auf den unter- schiedlichen Ebenen führt zu gesunden Schwangerschaften, unkomplizierten Geburten und einer guten Mutter-Vater-Kind Bindung .
Sind die Voraussetzungen schwierig und fehlt es Unterstützung, hat dies Folgen für das weitere Zusammenleben der Familie, ganz besonders aber für die Ausbildung einer guten Mutter- Kind –Bindung und der damit verbundenen Gesundheit von Mutter.
Literaturliste
Ahrendt, Cordula (2009).Basiswissen Beratungskompetenz, Teil 3: Beratungstechniken und – methoden. In: Die Hebamme, 22/2009, S.178-184
Bauer, Joachim (2004). Das Gedächtnis des Körpers. Wie Beziehungen und Lebensstile unsere Gene steuern. München: Piper g
Bauer, Joachim (2006). Warum ich fühle , was du fühlst. Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone. München: Heyne
Goleman, Daniel (1997). Emotionale Intellligenz. München: Deutscher Taschenbuch Verlag
Hüther, Gerald (2011). Biologie der Angst. Wie aus Streß Gefühle werden. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
Schmidt, Verena (2011). Schwangerschaft, Geburt und Mutterwerden. Ein salutogenetisches Betreuungsmodel. Hannover: Elwin Staude Verlag
Tegethoff, Marion / Flückiger, Lavinia (2012). Stress im Mutterleib: Wie wirkt er sich aus ? . In: Deutsche Hebammenzeitschrift,
2012,1, S.20-22